Ein Modellprojekt zeigt vor wie es geht

Kinderarmut in Österreich muss nicht sein. Schon ein kleiner Betrag kann das Leben eines Kindes verändern. Wenn er regelmäßig kommt und jene Sicherheit gibt, die von Armut betroffenen Familien fehlt. Darum hat die Volkshilfe 2019 ein Modellprojekt gestartet, bei dem eine Gruppe armutsgefährdeter Kinder regelmäßig eine finanzielle Grundsicherung erhält. Erste Erfolge geben der Idee Recht.

 

Die Idee wirkt

 

Seit Jänner 2019 unterstützt die Volkshilfe 23 armutsbetroffene Kinder in Österreich mit der von ihr politisch geforderten Kindergrundsicherung. Die Erkenntnisse des Projekts sind in Europa einzigartig: Zum ersten Mal gibt es wissenschaftliche Auswertungen über die Auswirkungen der Aufhebung von Armut. Diese zeigen, dass sich die Lebenswelt der Kinder seit Start des Projekts in allen Bereichen verbessert hat.

 

Eine Familie je Bundesland

 

Zwei Jahre lang werden die Kinder insgesamt unterstützt und begleitet. Das jüngste Kind im Projekt ist ein Jahr, das älteste 16 Jahre alt. Die Auswahl der Familien basierte vor allem auf Faktoren, die häufig zu Kinderarmut führen: so haben wir fünf alleinerziehende Mütter und zwei alleinerziehende Väter im Projekt. Im Schnitt erhalten die Familien im Projekt 320 Euro pro Kind – gestaffelt nach Haushaltseinkommen. Diese Mittel sollen die Finanzierung der vier Dimensionen kindlicher Entwicklung sicherstellen: Materielle Versorgung, Bildungschancen, soziale Teilhabe und gesundheitliche Entwicklung.

 

Der Kinderzukunftsrat  

 

Alle Familien werden von SozialarbeiterInnen begleitet, die zu Beginn eine umfangreiche Ersterhebung durchführen. Die Methoden umfassen u.a. leitfadengestützte Interviews, Elemente aus der Familienaufstellung, sowie eigens entwickelte Selbsteinschätzungsspiele für Kinder. Gemeinsam mit den Kindern wurden dann im sogenannten „Kinderzukunftsrat“ Ziele formuliert.

 

Ausgrenzung und Ängste der Kinder zu Beginn

 

Die Erstgespräche mit den Kindern zeigen die Ausgrenzung, den Mangel und die Ängste, die sie erleben. Ihre Wünsche sind – so sie überhaupt noch welche äußern – oft nicht altersgerecht und sie fühlen sich mitverantwortlich für die Sorgen ihrer Eltern.

 

 

 

Positive Entwicklungen bereits nach kurzer Zeit

 

„Wir waren überrascht, wie schnell wir bei den Kindern positive Veränderungen beobachten konnten.“, erzählt Judith Ranftler, Leiterin des Projektes Kinderarmut Abschaffen bei der Volkshilfe und auch eine der begleitenden Sozialarbeiterinnen im Projekt. „Schon nach drei bis vier Monaten konnten wir bei vielen Kindern erleben, dass sie sich in den Gesprächen völlig anders verhielten als am Anfang. Kinder die zu Beginn kaum kommunizierten, hielten plötzlich Augenkontakt, sprachen öfter und schneller oder formulierten plötzlich selbstständig Wünsche. Man spürte schnell eine Art von Selbstermächtigung.“

 

Das belegen auch diese Zitate der Kinder -

 

„Wir lachen jetzt einfach alle mehr.“ 
Bub, 14 Jahre, Niederösterreich

 

„Gestern haben wir sogar Hotdogs gemacht. Das, was wir sonst normalerweise nur an besonderen Tagen essen, aber gestern haben wir es einfach mal so gemacht.“
Bub, 10 Jahre, Steiermark

 

„Wir sind jetzt alle viel ruhiger.“
Mädchen, 9 Jahre, Tirol

 

Begleitende wissenschaftliche Studie

 

Um die Veränderungen der Lebenswelt der Kinder im Modellprojekt zu untersuchen, werden die umfangreichen erhobenen Daten der letzten beiden Jahre von einer Forschungsgruppe ausgewertet. Das Forschungssetup wurde gemeinsam mit DDr. Nikolaus Dimmel von der Universität Salzburg entwickelt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die sozialpolitischen Handlungsfelder in einem Sozial- und Wohlfahrtsstaat ebenso wie Armuts- und Familiensoziologie.

 

Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team wird untersucht, wie sich die finanzielle Unterstützung auf die Lebenswelt und die Gefühlslage der Kinder auswirkt. Zudem werden Informationen über die Begrenzung kindlicher sozialer Räume aufgrund sozioökonomischer Benachteiligung erhoben. Erste Forschungsergebnisse werden Ende 2021 publiziert.

 

Ausgewertet sollen auch die vielen Aufzeichnungen aus den Familientagebücher werden, die über den gesamten Zeitraum von zwei Jahren von den Familien selbst geführt werden. Anhand der Daten wird auch die politische Forderung der Volkshilfe nach einer staatlichen Kindergrundsicherung für alle Kinder in Österreich evaluiert.

 

Nachfolgeprojekt

 

Ein Nachfolgeprojekt ist ebenfalls bereits angelaufen. Auf diese Weise wollen wir noch mehr Kinder nachhaltig unterstützen und mehr wissenschaftliche Daten sammeln.

 

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